14. und 15. September 2007
Im Rahmen des 12. Komponistenforum Mittersill 2007
“…nämlich die Einsicht, dass der unerschöpfliche Reichtum des menschlichen Gesprächs unweigerlich zum Stillstand kommen müsste, wenn es eine Wahrheit gäbe, die einen Streit ein für allemal schlichtet,…”
aus: Hannah Arendt, Wahrheit und Politik, New York 1967
Pole – die Endpunkte der Kugelachse oder auch die positiv und negativ geladenen Zugpunkte des Magneten – versinnbildlichen Extrempositionen, die einerseits Gegensätze darstellen, andererseits einander bedingen.
Polarisierung ist im übertragenen Sinn als Grundlage von Konflikten ein Thema unserer Zeit, das in alle Bereiche der Gesellschaft reicht. Das Eskalieren Konflikt geladener Prozesse ist gegenwärtige gesellschaftliche Realität. Nicht nur in der Kunst bzw. Musik werden aber auch erst durch Polarisierung Spannungsfelder aufgebaut, die wir als positiv erleben und die kreatives Potential in sich tragen. Vielfältige unterschiedliche Meinungen und Positionen tragen zur Darstellung des komplexen Körpers der Gesellschaft bei, – polarisierend heißt nur so lange trennend, als die Spannungsverhältnisse nicht in einen größeren Kontext integriert werden können.
Im Symposium zum Forumsthema wollen wir die Gegensatzpaare, die im gesellschaftlichen Alltag wie im Musikleben eine Rolle spielen, auch aus theoretischer Sicht darstellen. Die ReferentInnen repräsentieren jeweils Positionen oder Tätigkeitsfelder, die einander diametral gegenüber stehen: Miha Ciglar (SLO), Helmut Voitl (A), Elisabeth Schimana (A), Ines Gebetsroither (A), Peter Waterhouse (D/A) und Wolfgang Laubichler (A)
BEITRÄGE
Miha Ciglar
„3rd Pole – die ästhetischen und konzeptionellen Hintergründe einer im Entstehen befindlichen kompositorischen Arbeit“
Das Werk 3rd Pole, dessen verschiedene Komponenten mit jeweils gleichem Maß an Aufmerksamkeit behandelt wurden, verbindet Tanz und Musik auf interaktive Wese. Problematisiert werden Konzepte des elektronischen Instruments, und dessen Spieler, die zeitliche Gliederung und die eigentliche Definition einzelner Klangereignisse, sowie die Auswahl Form bestimmender Entscheidungsfaktoren.
Elisabeth Schimana
„Analoge und digitale Räume und das verdammte Schnittstellenproblem“
Zwei Jahrzehnte kompositorische Arbeit an der Schnittstelle. Versuche, analoges prozesshaftes Denken in den digitalen und binäres diskretes Handeln in den analogen Raum zu transferieren. An sich schon ein Widerspruch!
Ines Gebetsroither
„Musik in der Pole Position – über Musik und Popkultur in der bildenden Kunst“
Ines Gebetsroither beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit dem Spielraum zwischen den Polen (Pop-)Musik und bildende Kunst. Seit den 1960er Jahren gibt es zum Teil enge Verbindungen zwischen bildenden KünstlerInnen und Pop/Rockmusik, viele KünstlerInnen waren oder sind beispielsweise Mitglieder in Bands. Seit einiger Zeit ist nun in der bildenden Kunst ein Trend zum Übernehmen von Formen und Emblemen aus der Popmusik zu beobachten, oft in Verbindung mit der Integration von Sound – etwa bei Künstlern wie Saadane Afif (F), Cory Arcangel (USA) oder Banks Violette (USA). Diese Bezüge auf Formen aus Musik/Popkultur wird “Music in der Pole Position” beleuchten.
Wolfgang Laubichler
Die Schnittstelle Tradition – Innovation
Wolfgang Laubichler im Gespräch mit Hannes Raffaseder und Wolfgang Seierl. Als Manager eines Ensembles, das – wenngleich mit Neuer Musik – vorwiegend im klassischen Konzertbetrieb tätig ist, vertritt Laubichler mit dem OENM ein Gegenmodell zu Gruppierungen, die sich eher in Off-Bereichen oder Alternativräumen ansiedeln bzw. sich in solche zurückziehen. Der grundsätzliche Aktualitätsanspruch der so genannten Neuen Musik zeitigt da und dort jeweils unterschiedliche Ergebnisse.
Peter Waterhouse
„Polarisierung“
„Am Regenwaldrand steht meine Lieblingstelegraphenstange. Diese Stange ist: wie – sondern – aber – pole. Telephone pole. South pole. Äquator Pol. Die Straßenlaternen haben das Polarlicht . Diese Telegraphenstange polarisiert, so heißt es wohl. Ich weiß nicht, was polarisieren heißt, ich weiß, dass meine Lieblingsstange am Waldrand steht und wie ein englischer Pol, kein elektrischer, sondern ein englischer Pol ist und polarisiert. Der Wald polarisiert; die Schatten polarisieren; die Gummibaumblätter polarisieren. In meiner Lieblingshütte polarisiert Reis. Darum bin ich glücklich auf der Welt, weil meine Lieblingsdinge und Lieblingsorte polarisieren. Es gibt die Welt der Welt.“ aus dem Roman (Krieg und Welt), Salzburg und Wien 2006
Helmut Voitl
Polarforschung
Der Dokumentarfilmer Helmut Voitl, dessen Film „Paradise found“ im Rahmen des 12. KomponistInnenforums Mittersill gezeigt wird, hat sich u. a. mit der filmischen Rekonstruktion der Tegetthoff-Expedition ein langjähriges Anliegen erfüllt. Gedreht wurde am Originalschauplatz: „Wir hatten 1992 eine Vorbereitungszeit von einem Jahr. Insgesamt haben wir vier Expeditionen in die Arktis unternommen, davon waren zwei Überwinterungen. Alles in allem lebten wir ein Jahr in der Arktis.“
Programm
Freitag, 15. September
13.30 Elisabeth Schimana
14.15 Diskussion
14.30 Miha Ciglar
15.15 Diskussion
15.30 Pause
16.00 Helmut Voitl
16.45 Diskussion
17.00 Ende
Samstag 16. September
10.00 Ines Gebetsroither
10.45 Diskussion
11.00 Wolfgang Laubichler
11.45 Diskussion
12.00 Mittagspause
14.00 Peter Waterhouse
14.45 Diskussion
15.00 Schlussrunde, Reaktionen
16.00 Ende