STILLE
2012/2013
Musik ist ein Ereignis, das die ursprüngliche Stille unterbricht und schließlich wieder in Stille endet. Sie vermindert diese nicht, sondern gibt ihr vielmehr eine Form. Tibeter und Hindus betrachteten die Geburt des Klanges als ein religiöses Geheimnis, in das die Seele nicht unwürdig eintreten dürfe. Die Geburt des Klanges existiere nur für diejenigen, die, sich der ursprünglichen Stille bewusst, die verborgenen Quellen der Innerlichkeit in sich wachsen fühlen. Musik ist die Tochter der Stille, ….es liegt in der Abwesenheit von sich selbst, in der Musik ihre Erfüllung erreicht. Deshalb müssen Klänge verklingen und sterben, um der musikalischen Arbeit zum Leben zu verhelfen.
(Gisele Brelet)
Der Begriff der Stille umfasst weit mehr als der musikalische Parameter der Pause und ist vielmehr mit dem der Musik Grund legend verbunden. Die Musik des 20. Jahrhunderts stand unter anderem im Zeichen der Emanzipation des Geräusches und der Stille. Allen voran war es John Cage, der die Stille als ein noch zu erforschendes Gebiet erkannte:
Ich hörte, dass Schweigen, dass Stille nicht die Abwesenheit von Geräuschen war, sondern das absichtslose Funktionieren meines Nervensystems und meines Blutkreislaufes. Ich entdeckte, dass die Stille nicht akustisch ist. Es ist eine Bewusstseinsveränderung, eine Wandlung. Dem habe ich meine Musik gewidmet. Meine Arbeit wurde zu einer Erkundung des Absichtslosen.
(John Cage, um 1950).
Die Stille als Moment des sich Sammelns, der Einkehr und der Meditation ist zudem ein wesentlicher Kontrapunkt zur aktuellen schnelllebigen und lauten Zeit. Nach sechzehn KomponistInnenforen soll dieses Thema nun grundsätzlich für Innehalten und Neuorientierung stehen. Aus der Stille heraus entsteht Musik, – aus dieser Stille entsteht das Bewusstsein für aktuelle Bedürfnisse, entstehen Nachdenk- wie kreative Prozesse. Im Sinne der Erfahrung von John Cage, die Stille als Wandlung zu begreifen, wollen wir dieses Forum dazu nutzen, über das Hintergrundthema Stille die im aktuellen Informationszeitalter scheinbar redundant gewordene Ausgangsidee des Kofomi, die Kommunikation zwischen KomponistInnen, MusikerInnen und dem Publikum, in das umzuwandeln bzw. hinüberzuführen, das die heutige Situation wieder befruchten könnte, – in etwas, dqs heute – in Zeiten des zu Ende gehenden Überflusses – grundlegend fehlt.
Insgesamt könnte die Stille ein durch die neuen Technologien und Lebensstrukturen herausgefordertes Konzept sein, das nicht nur die geistige Dimension des Menschen zu verteidigen bzw. zu retten versucht (Gunter Stachel/schweigt ihr nicht, so bleibt ihr nicht), sondern – entsprechend zeitgenössischen Strömungen in der Philosophie und Kunst – neue, dynamische Strukturen einer neuen Innerlichkeit zeitigen bzw. entwerfen.
Die Annahme, dass die Gegenwart aus der Zukunft gespeist werde, legt nahe, dass das Vergangene mit Gegenwart und Zukunft in einem dynamischen, wechselwirkenden Verhältnis steht. Ein zusammenfassender, aufarbeitender Blick auf die Vergangenheit des KoFoMi, auf 16 Jahre KomponistInnenforum Mittersill, wäre in diesem Sinn sozusagen die Vorbereitung und Imagination des noch nicht Gewesenen, die Offenheit für das, was vor uns liegen könnte, sobald wir es zuzulassen im Stande sind.
Das Sammeln und Sichten aller in den vergangenen 4 x 4 Jahren im Kofomi aktiven Personen, aller im Rahmen des Kofomi entstandenen Werke, aller SymposiumsteilnehmerInnen und aller Beteiligten an den Begleitveranstaltungen, Symposien, der Gesprächsreihe Wohin? und der Sendereihe in der Radiofabrik, aller Tonaufnahmen, CD-Produktionen, Fotos und Videos, aller Texte und Dokumente, würde ein Bild davon geben, wie es um diese Zukunft, aus der unsere Gegenwart jeweils geschöpft wurde, bestellt war.
Ich möchte in einer Kultur der Stille leben, in der es vor allem darum ginge, die eigene Stimme zu finden.
(Peter Bieri)
Über solche Prozesse, in denen das Beschreiben und Verstehen unserer selbst nicht in einer einflusslosen Bestandsaufnahme besteht, sondern auch eine innere Umgestaltung mit sich bringt, könnte man sagen:
Wir arbeiten durch Selbstbeschreibung an unserer persönlichen Identität. Das tun wir auch, wenn wir Unbewusstes in Bewusstes überführen, indem wir es zur Sprache bringen. … Um nicht nur in die Zukunft hineinzustolpern, sondern die Zukunft als etwas zu erleben, dem wir mit einem selbstbestimmten Entwurf begegnen, brauchen wir ein Bild von dem, was wir sind und was wir werden wollen – ein Bild, das in einem stimmigen Zusammenhang mit der Vergangenheit stehen muss, wie wir sie uns erzählen.
(Peter Bieri)
In einem zweiten Teil einer so genannten Dokumentation werden wir dieser Sammlung an Daten eine Sammlung an Visionärem gegenüberstellen. Imaginäre Begegnungen, Versuche eines ersten Zugriffs auf die sich immer wieder erneut konstituierende Fülle des uns bevorstehenden Zeitraums.
Das 17. Kofomi als imaginäre Plattform des kontemplativen Innehaltens in Innenschau, Rückschau und Vision. Die Teilnehmenden als das Potential des Nach- und Vorausdenkens, als GeneratorInnen und Bewegungsmelder in der Phase des Stillseins. Informationen über alle diesbezüglichen Aktivitäten werden wir laufend auf dieser Seite veröffentlichen.
Im Rahmen von Kofomi#17
HertzLux ist ein gemeinnütziges Projekt zur Förderung audiovisueller Medienkooperationen. Dies geschieht einerseits durch die Schaffung einer Onlineplattform für interdisziplinären Ideen- und Gedankenaustausch, sowie durch regelmäßige Veranstaltungen für Vereinsmitglieder und Kunstinteressierte. Dabei geht es uns um die wahrnehmungskonstruierenden Einflüsse von AV-Medien und Arbeitsprozessen in den unterschiedlichen Disziplinen.
Am kommenden Sonntag werden nicht nur die ersten audiovisuellen Kooperationen vorgestellt (Daniela Zeilinger / Uli Kühn, Zdenek Kveton / Anne Wellmer, Daniela Tagger / Martin Daske, Tatja Skhirtladze / Konrad Rennert, Zdenek Kveton / Martin Daske). Live-Performances (Ritsche Koch aus Berlin und Chris Neuschmid) sowie eine Podiumsdiskussion (Gerda Lampalzer, Wolfgang Seierl, Heinrich Deisl, Ritsche Koch, Daniela Zeilinger, Uli Kühn) ergänzen die Präsentationen, + Buffet, Eintritt frei!
Technologische Neuerungen beeinflussen seit je her die Videokunst.
HertzLux: “Die technischen Möglichkeiten wirken auf die zeitgenössische Kunst ein, so wurden durch die Digitalisierung in Verbindung mit dem Computer die Herstellungsmittel billiger und das Material einfacher zu editieren und manipulieren. Durch die Demokratisierung der Produktionsmittel und die rasche Zunahme der Verbreitungsmöglichkeiten verändert sich das Konsum- und Wahrnehmungsverhalten.
HertzLux will nicht nur eine Plattform schaffen um die wahrnehmungskonstruierenden Einflüsse von AV-Medien zu untersuchen und zu diskutieren, sondern versteht sich im Besonderen als ein aktives Vernetzungstool für Audio-und Video KünstlerInnen.
Um Platz für die Entstehung von Zusammenarbeiten zu bieten wird ein spezieller virtueller Raum abseits kommerzieller Unterhaltungsanbietern generiert. Der direkte Austausch der KünstlerInnen fördert die Auflösung vorherrschenden hierarchischen Strukturen im Bereich der audiovisuellen Medienkunst.
Entstandene Arbeiten können auf HertzLux.net, sowie auch in der realen Raumzeit bei regelmäßigen Veranstaltungen präsentiert werden.
Am Sonntag dem 20.Jänner 2013 um 15 Uhr im MICA Wien werden die ersten Kooperationsarbeiten des Vorgängerprojekts “score_video_rmx” präsentiert. Im Rahmen des 16.Komponistenforum Mittersill entstanden diese Arbeiten durch die Initiative von Daniela Tagger und Florian Gruber und gelten als Basis für HertzLux.net. Die Podiumsdiskussion bietet Kultur- und Kunstinteressierten Raum zum Dialog, Diskussion und Information.”
„STILLE“ hält inne…
Ein Kofomi#17-Review nach einem Konzept von Gina Mattiello
“Zuhörer, die frei entscheiden könnten, ob sie auf die Musik hinhören, weghören oder in sich selbst hineinhören.
Zuhörer, Zuschauer, die verschiedene Hörperspektiven und Sehperspektiven erfahren könnten.Ein scheinbar ungeordnetes Nebeneinander, wo sich der Blick, der Hör-Focus immer wieder neu einstellen könnte.
Klang- und Textstücke, in denen der Zuschauer sozusagen herumschauen, herumhören, herumlesen kann.
Musikhören und Momente der Stille, die unterschiedliche Ebenen der Wahrnehmung ermöglichen können.”
(Gina Mattiello)
Programm
- Präsentation der Publikation “Kofomi#17-Review” (Kofomi 1996 bis 2013)
- Präsentation der CD “Kofomi#17-Review”
mit Unveröffentlichtem, u. a. Werken von Inge Dick, Florian Tiefenbacher und Anton Webern - Präsentation des Vinyl-Albums “unused connects”
mit Remixes von Anna Schauberger, Martin Unterlechner, Christoph Kummerer, Stefan Aigner und Nora Sells - Anschließend Buffet vom Schachernhof
Teilnehmer_innen
Katja Cruz (Stimme)
Howard Curtis (Percussion)
Michaela Schwentner (Video)
Barbara Lüneburg (Violine)
Petra Stump (Klarinette)
Heinz-Peter Linshalm (Klarinette)
Gina Mattiello (Stimme/Performance)
Ritsche Koch (Trompete)
Thomas Bratzke (Malerei)
Anna Schauberger
Martin Unterlechner
Christoph Kummerer
Stefan Aigner
Nora Sells
Paul Jauker
Kofomi#17 wird gefördert von Land Salzburg, dem BMUKK, dem Büro für kulturelle Sonderprojekte, der Stadt Mittersill und dem BORG Mittersill, Dank auch an Claudia Bosse/Theatercombinat